Montag, 21. Juli 2014

Der Entwurf zum Wissenschaftsplan 2020, den die Landesregierung vermutlich noch vor der Sommerpause endgültig verabschieden will, hat in den vergangenen Monaten zurecht viel Staub aufgewirbelt.

Die GEW-Fachgruppe "Hochschule und Forschung" hat die Kritik am WP 2020 noch einmal sehr schön aufgeschlüsselt. Sehr lesenswert!

Quelle: http://www.gew-hb.de/Stichwort_Wissenschaftsplan_2020_-_Entwurf_zurueckziehen.html



16.07.2014 Stichwort: Wissenschaftsplan 2020 - Entwurf zurueckziehen!

 
Stellungnahme der Fachgruppe Hochschule und Forschung zum Entwurf des Wissenschaftsplans 2020
 
 
 
Mitte Mai hat die senatorische Behörde für Bildung und Wissenschaft ihren Entwurf für einen „Wissenschaftsplan 2020“ vorgelegt. Wie auch die Hochschulgesamtpläne der Vergangenheit speist sich dieser Plan aus einer einzigen Notwendigkeit: die Hochschulen im Land Bremen dem Diktat des unterfinanzierten Landeshaushaltes zu unterwerfen. Die senatorische Behörde öffnet so einem destruktiven Verteilungskampf um die knapp gehaltenen Mittel zwischen den Hochschulen sowie innerhalb der Hochschulen Tür und Tor. Dabei ist der vorgelegte Entwurf bereits wenige Tage nach Veröffentlichung von den Entwicklungen der Bundespolitik überholt worden. Durch die komplette Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bundeshaushalt stehen dem Bremer Landeshaushalt plötzlich mindestens 13 Millionen Euro jährlich zusätzlich für Bildungsausgaben zur Verfügung. Auch hat die KMK ihre Prognose bezüglich der Studierendenzahlen deutlich nach oben korrigiert. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, Studiengänge zu streichen und großflächig in allen Hochschulbereichen zu kürzen. Die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW fordert daher, den Entwurf zurückzuziehen und einen neuen zu erarbeiten, sobald die Verteilung der BAföG-Mittel innerhalb des Bildungsetats geklärt ist.
Bis dahin ist Zeit, mit allen Statusgruppen der bremischen Hochschulen zu diskutieren und auf demokratischem Weg eine gemeinsame Vision für die Wissenschaftslandschaft in Bremen zu entwickeln. Nach Ansicht der Fachgruppe Hochschule und Forschung sollten dabei folgende Punkte berücksichtigt werden:

 
BLZ-Forum
 

 
 
 
Arbeitsbedingungen verbessern
 
Aus gewerkschaftlicher Perspektive steht die Frage nach der Qualität der Arbeitsbedingungen in Wissenschaft und Forschung an zentraler Stelle. Die Politik in Bremen hat inzwischen erkannt, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert haben, denn prekäre Verträge, Befristungen und zu hohe Belastung in der Lehre sind inzwischen wesentliche Merkmale sowohl der nationalen wie auch der bremischen Hochschullandschaft. Der Wissenschaftsplan benennt diese Probleme zwar, weist aber keine verbindlichen Abhilfen aus. Stattdessen beruft sich die Politik in hohem Maße auf Projekt- und Drittmittel, die allerdings ein Motor für prekäre Beschäftigung in Wissenschaft und Forschung sind. Die GEW fordert, dass Daueraufgaben an Hochschulen mit Dauerstellen auszufüllen sind. Dies betrifft insbesondere Aufgaben in der Lehre, wo zur Zeit massiv mit befristeten Lektorats-Stellen oder Honorarverträgen für Lehraufträge gearbeitet wird. In geradezu dramatischer Weise hat diese Praxis an der Hochschule für Künste um sich gegriffen. Die Hochschulen müssen auf eine verbindliche und ihrer Verantwortung bewusste Personalpolitik verpflichtet werden, die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern klare Perspektiven für Karrieren aufzeigt.
 
 
Grundfinanzierung bedarfsgerecht erhöhen
 
Dementsprechend fordert die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW, die Grundhaushalte der Hochschulen im Land Bremen deutlich zu erhöhen. Seitens der Politik muss gegenüber den Hochschulen endlich ein Umdenken stattfinden. Statt sie in Abständen von fünf bis sieben Jahren zu beschneiden und zwischendurch schleichend auszutrocknen, braucht es ein deutliches Bekenntnis zur tertiären Bildung. Dies bedeutet für die Fachgruppe Hochschule und Forschung, die bereits stark ausgedünnten Hochschulen in ihrer aktuellen Struktur zu stärken und sie in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Stattdessen steuert die Politik sogar auf Kürzungen zu, die weit über den im Wissenschaftsplan vorgesehenen Umfang hinausgehen. Denn Tarifsteigerungen und Betriebskostenerhöhungen sind in diesem nicht oder unzureichend vorgesehen und müssen wohl aus den Eigenmitteln der Hochschule erwirtschaftet werden. Zukünftige Zwangslagen mit Streichung weiterer Studiengänge und Entlassungen sind so vorprogrammiert. Das Studiengangsangebot an den Hochschulen ist eine gesellschaftspolitische Frage und darf keine finanzpolitische Entscheidung sein; Studiengänge dürfen auch nicht auf der Basis der Alterstruktur des Personals, wie es beim Studiengang Psychologie geschehen soll, gestrichen werden.
Der Entwurf zum Wissenschaftsplan erkennt zwar richtig, dass eine Steigerung der eingeworbenen Drittmittel kaum mehr möglich ist, trotzdem sieht er in diesen die einzige Möglichkeit, die Hochschulen in ihrem aktuellen Umfang zu erhalten oder weiter zu entwickeln. Der Politik fehlt hier der Mut, ihrer eigenen Erkenntnis Taten folgen zu lassen: die Grundmittel zu erhöhen und so die Angestellten der Hochschulen aus der Tretmühle zu befreien, stets selbst mehr Geld heranschaffen zu müssen und dabei ihre eigentliche Aufgaben in Forschung und Lehre zwangsläufig zweitrangig behandeln müssen.
 
 
Qualität der Lehre steigern
 
Die Fachgruppe Hochschule und Forschung begrüßt Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Lehre ausdrücklich. Insbesondere, dass die Wahlpflichtbereiche gestärkt, die stoffliche Überfrachtung der Studiengänge, vor allem auch die Prüfungsdichte verringert werden soll, trifft auf unsere Zustimmung. Eine nachhaltige positive Qualitätsentwicklung und -Sicherung lässt sich allerdings nur durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in Lehre und Verwaltung erreichen.
Zu begrüßen ist weiterhin das Bekenntnis der Politik zu einer Erhöhung der Diversität an den Bremer Hochschulen. Als ein Beispiel sei hier die Durchlässigkeit, also die Förderung des Hochschulzugangs ohne (Fach-)Abitur zu nennen. Nur konterkariert auch hier die konkrete Ausgestaltung des Wissenschaftsplans diese Absicht. Denn sinkende Kapazitäten bedeuten eine noch stärkere Konkurrenz um die einzelnen Studienplätze, in der die BewerberInnen ohne Abitur erfahrungsgemäß keine Chance haben. Desweiteren kann mit dem vorgesehenen strukturell bereits überlasteten Personal nicht auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppe eingegangen werden. Auch hier wird die Absichtserklärung zum Lippenbekenntnis. In unserer Region sind insbesondere die praxisorientierten Hochschule Bremen und Hochschule Bremerhaven Motor des Bildungsaufstiegs. Um diese Funktion zu erhalten, bedarf es aller dort vorhandenen Studiengänge, auch derjenigen, die eine Ähnlichkeit zum Angebot an der Universität aufweisen.

 
 
Fächervielfalt erhalten
 
Drittmittel können eine ausreichende Grundfinanzierung nicht ersetzen, erst recht dürfen sie nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung der Qualität eines Studiengangs sein. Jedoch handelt es sich bei der Aufzählung der Wissenschaftsschwerpunkte durch die Behörde im Prinzip um eine Übersicht über die Institute, die sich in den letzten Jahren im regionalen und nationalen Konkurrenzkampf um Drittmittel als besonders erfolgreich hervorgetan haben. Deutlicher könnte die Politik kaum machen, dass sie an einer Wissenschaft, die sich aus verschiedenen Gründen der Drittmittellogik nicht unterwerfen kann oder möchte, keinerlei Interesse hat. So ist in Bremen ein Zwang zum Drittmittel entstanden, der inzwischen die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden kann. In der Logik der Bremer Hochschulpolitik haben Fächer, die keine Drittmittel einwerben ihre Existenzberechtigung verloren und sich ihre Abwicklung auch noch ihrem vermeintlichen eigenem Versagen zuzuschreiben. Allen anderen Instituten und Studiengängen, die noch existieren, aber nicht Teil eines Wissenschaftsschwerpunktes sind, muss dieses eine Warnung sein, dass sie bei der nächsten Runde gestrichen werden, so sie nicht noch rettende Drittmittel finden. Folgerichtig schweigt der Wissenschaftsplan zu diesen Hochschulzweigen; die Bremer Politik ist offenbar nicht mehr Willens, abseits der Schwerpunkte für Fächer Entwicklungsperspektiven zu öffnen. Dies gilt insbesondere für die Geisteswissenschaften an der Universität, die komplett ins Abseits geraten. Hinter der Setzung von Schwerpunkten steckt also in Wirklichkeit die Ausdünnung und Verengung der Wissenschaftslandschaft im Land Bremen. Dem setzt die Fachgruppe Hochschule und Forschung die Forderung entgegen, eine breit aufgestellte Fächerkultur gerade in ihrer Verschiedenheit und in ihrem Facettenreichtum als Stärke zu erkennen und zu erhalten.
 
 
Lehramtsausbildung stärken
 
Um die Lehramtsausbildung zu stärken, ist eine Steigerung der personellen Grundausstattung aller lehramtsbezogenen Institute und Fachbereiche notwendig. Vor allem die gewünschte Verbesserung der Unterrichts- und Praxiskompetenzentwicklung der angehenden Lehrerinnen und Lehrer durch ein "Praxissemester" steht und fällt mit der Betreuung. Auch kann eine Kooperation von Fächern, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaft nur mit einer adäquaten Personalausstattung gelingen. Aber statt eine solide Finanzierung einzuplanen, verweist die Politik auch hier nur auf potenziell zukünftig einzuwerbende Bundesmittel. Eine solide Ausbildung neuer Lehrerinnen muss aber eine zentrale Säule bremischer Schulpolitik sein, die nicht davon abhängen darf, ob eventuell Bundesmittel zur Verfügung stehen. Hierzu gehört, dass für alle Fächer, die an Bremer Schulen unterrichtet werden, auch an der Universität Bremen ausgebildet wird. Die Schließung der Fächer Sport und Wirtschaft/Arbeit/Technik ist zurückzunehmen.
Die Fachgruppe Hochschule und Forschung vermisst jeglichen Ansatz einer langfristigen Bildungsplanung. Deren Abwesenheit zeigt sich am Beispiel der Behindertenpädagogik: Im letzten Hochschulgesamtplan wurde noch ihre Schließung verordnet, inzwischen werden an den Bremer Schulen aber dringend Fachkräfte für inklusiven Unterricht benötigt, die die Universität Bremen nicht mehr liefern kann. Im Wissenschaftsplan 2020 wird nun ein entsprechender Ausbau an der Universität gefordert und damit die eigene frühere Einsparung ad absurdum geführt. Statt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, werden die absehbaren Bedarfe an Lehrkräften wieder nicht in die Wissenschaftsplanung einbezogen.

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