Montag, 26. April 2010

Studiengebühren in Bremen: Landeskindermodell wurde gekippt


Bremen. Millionen wollte Bremen einnehmen mit der sogenannten Landeskinderregelung: Wer in Bremen lebt, darf 14 Semester gebührenfrei studieren, Auswärtige sollen nach zwei Semestern zur Kasse gebeten werden. Kalkül dahinter: Jeder, der sich in Bremen anmeldet, spült aus dem Länderfinanzausgleich bis zu 6000 Euro in die Landeskasse. Jetzt läuft das Gesetz aus - und wird offenbar nicht verlängert.

Am Dienstag will die Landesregierung sich mit dem Thema befassen. Anlass ist ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Richter des Bremer Verwaltungsgerichts von sich aus angestrengt hatten. So wollen sie klären lassen, ob die Landeskinderregelung überhaupt mit der Verfassung im Einklang steht. Infrage stehen nämlich gleich mehrere Grundrechte: der Gleichbehandlungsgrundsatz, die freie Wahl der Ausbildungsstätte und die 'Freizügigkeit' im Bundesgebiet, letztlich also die freie Wahl des Wohnsitzes.

Hintergrund: Gegen die Gebühr von 500 Euro pro Semester hatten drei Studenten der Bremer Uni geklagt, die in Cuxhaven, Oldenburg und Verden wohnen. Als sie das dritte Studiensemester im Herbst 2006 erreichten, flatterten ihnen die Gebührenbescheide ins Haus, die sie nun anfechten.

Derzeit verzichtet Bremen auf Studiengebühren nach der Landeskinderregelung: Im Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht die drei Studenten nämlich bis zur endgültigen Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht von der Zahlung der Gebühr befreit. Bremen setzte die Forderung damit auch für alle übrigen Studenten aus.

Allerdings ungern. Rund 28 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen hatte Bremen sich aus der Regelung erhofft, davon rund drei Millionen aus Studiengebühren und 25 Millionen aus dem Länderfinanzausgleich. Lediglich Langzeitstudenten, in der Regel nach dem 14. Semester, zahlen derzeit Studiengebühren, nach Unterlagen des Senats insgesamt rund 1,4 Millionen Euro. Der Universität sollen nach internen Informationen 1,1 Millionen Euro zufließen, der Rest geht an die Hochschulen.

Hoher Verwaltungsaufwand

Morgen will der Senat die rechtliche Stellungnahme verabschieden, mit der das Land vor die Verfassungsrichter treten will. Abgefasst hat das Papier der Bremer Professor Joachim Wieland, der Bremen bereits einmal in Karlsruhe vertreten hat. Damals ging es um mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Wieland ist Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Bremer Uni. In seiner Stellungnahme begründet er nach Informationen aus dem Senat, weshalb er die Landeskinderregelung im Einklang mit der Verfassung sieht.

Dabei zeichnet sich längst ab, dass der Senat auswärtige Studenten auch dann nicht mehr zur Kasse bitten will, wenn er vor dem Verfassungsgericht obsiegt. Vorbereitet ist jedenfalls für Dienstag eine Entscheidung mit folgendem Wortlaut: Im Senat bestehe Einigkeit, 'dass unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beabsichtigt ist, künftig allgemeine Studiengebühren zu erheben'.

Was sich hinter dieser Formulierung versteckt, erläuterte gestern auf Nachfrage die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft, Silvia Schön: 'Mit uns wird es keine Verlängerung der Landeskinderregelung geben.' Das Gesetz habe die große Koalition vor gut vier Jahren gegen Widerstand der damals oppositionellen Grünen verabschiedet. Die Gültigkeit des Gesetzes sei allerdings von vorn herein auf fünf Jahre befristet worden. Es müsste jetzt verlängert werden, damit es Ende des Jahres nicht ausläuft. Schön: 'Wir haben ganz klar gemacht, dass wir das nicht mitmachen werden.'

Von Anfang an sei die Grünen-Fraktion der Auffassung gewesen, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstößt, sagte Schön. In einem vereinten Europa sei es aus Sicht der Grünen zudem 'vollkommen absurd', wenn Bundesländer anfingen, sich in Ausbildungsfragen 'abzuschotten'. Zudem sei der Verwaltungsaufwand für die Hochschulen unvertretbar hoch. Als sehr wirkungsvoll habe sich eine freiwillige Lösung erwiesen, die längst wieder in Kraft sei: Wer als Student seinen ersten Wohnsitz in Bremen nimmt, wird mit einem 'Begrüßungsgeld' von 150 Euro belohnt.

aus Weser Kurier v. 25.04.2010:
http://www.weser-kurier.de/Artikel/Bremen/Politik/153726/Bremen%3A+Bald+keine+Studiengebuehren+mehr%3F.html

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