Montag, 12. April 2010

GEW-Stellungnahme zu geplanten Elite-Stipendien

Mehr BAföG für alle statt Elite-Stipendien

Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert "Nationales Stipendienprogramm"

Bundesbildungsministerin Annette Schavan plant ein Gesetz für ein "Nationales Stipendienprogramm". Viel wichtiger wäre eine Stärkung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), meint Andreas Keller, für Hochschulen verantwortliches Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Nach dem jüngsten BAföG-Bericht der Bundesregierung erhalten 333.000 Studierende eine BAföG-Förderung (Zahlen für 2008). 2005 waren es noch 342.000. Das sind gerade mal 17 Prozent der eingeschriebenen Studierenden. Der durchschnittliche Förderbetrag der BAföG-EmpfängerInnen liegt bei nur 321 Euro Euro. Eine Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge des BAföG um zehn Prozent wäre daher angemessen, damit nicht nur der Anstieg der Preise sowie der Lebenshaltungskosten ausgeglichen werden kann, sondern zusätzlich die Zahl der geförderten Studierenden, Schülerinnen und Schüler gesteigert werden können.

Sie wäre auch finanzierbar - das belegen die enormen finanziellen Mittel, die die Bundesregierung für ihre Elite-Stipendien aufbringen möchte. Für das "nationale Stipendienprogramm" möchte die Ministerin 600 Millionen Euro jährlich mobilisieren, davon die Hälfte aus den Haushalten des Bundes und der Länder. Für die Verbesserung des BAföG, auf das grundsätzlich alle Studierenden einen Rechtsanspruch haben, plant die Bundesregierung dagegen nur 350 Millionen Euro ein - das stimmt das Verhältnis nicht.

Die GEW hat die Bundesbildungsministerin daher aufgefordert, ihren Gesetzentwurf für das "nationale Stipendienprogramm" zurückzuziehen und die dafür bereit gestellten Mittel in das BAföG zu investieren. Nicht weil die GEW grundsätzlich etwas gegen Stipendien hätte, sondern weil speziell das "nationale Stipendienprogramm" keinen Beitrag zur sozialen Öffnung der Hochschulen leisten, und zwar aus drei Gründen.

Erstens sollen die Stipendien nach dem Willen der Bildungsministerin nach Begabung und Leistung vergeben werden. Diese Kriterien sind nicht nur völlig vage - offen ist z. B., inwieweit die soziale Herkunft oder das gesellschaftliche Engagement der BewerberInnen berücksichtigt werden können, sondern es gibt auch anders als beim BAföG keinen Rechtsanspruch auf Stipendien aus dem "nationalen Programm". Diese sind letztlich ein Gnadenakt, das "nationale Stipendienprogramm" Ausdruck des Versuchs einer Feudalisierung der staatlichen Studienfinanzierung.

Zweitens sind die Stipendien mit 300 Euro monatlich nicht bedarfsdeckend - für Studierende ohne andere Einkommen reicht dieser Betrag schlicht nicht aus. Für Studierende, die bereits auf eine auskömmliche Grundfinanzierung zurückgreifen können, sind die 300 Euro dagegen ein willkommenes Zubrot. Konsequenterweise sollen die Stipendien aus dem "nationalen Programm" elternunabhängig gewährt werden. Die Kinder Besserverdienender, die im BAföG und bei den Begabtenförderungswerken leer ausgingen, sollen künftig 300 Euro extra bekommen - vor allem darauf zielt das "nationale Stipendienprogramm" ab.

Drittens ist das Ziel des "nationalen Stipendienprogramms" anders als des BAföG keine bundesweite Förderung in der Fläche, sondern die Stipendien können zweckgebunden für bestimmte Hochschulen oder Studiengänge vergeben werden. Der Gesetzentwurf für das "nationale Stipendienprogramm" sieht vor, dass die Stipendien zu 50 Prozent von Privaten finanziert werden. Die Stipendien können demnach nur dort angeboten werden, wo die Hochschulen private Mitfinanzierer, insbesondere Unternehmen aus der Region gewinnen. Diese sind frei, eine Zweckbindung der Stipendien vorzugeben. Ein Vertiefung der ohnehin schon bestehenden regionalen und fachlichen Ungleichgewichte in der deutschen Hochschullandschaft ist abzusehen: Wer Ingenieurwissenschaften studiert, dürfte sich größere Chancen auf ein Stipendium ausrechnen können, als Studierende der Philosophie. Wer sich an der Technischen Universität München einschreibt, wird mehr Stipendienangebote vorfinden, als an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

Die übermächtige Rolle der privaten Wirtschaftsunternehmen erregt an den Plänen für ein "nationales Stipendienprogramm" den meisten Anstoß. Diese finanzieren die Stipendien auf dem Papier zur Hälfte, de facto ist ihr Anteil wesentlich geringer, da das großzügige deutsche Stiftungsrecht es insbesondere großen Unternehmen ermöglich, die Aufwendungen für Stipendien steuerlich abzusetzen, d.h. sich vom Finanzamt zurückerstatten zu lassen. Aus der Kofinanzierung der Stipendien können die Unternehmen den Anspruch ableiten, den Einsatz auch der staatlichen Aufwendungen für das "nationale Stipendienprogramm" zu steuern - ein weiterer Aspekt einer Feudalisierung staatlicher Studienfinanzierung.

Wir brauchen daher keine Eliteförderung durch ein "nationales Stipendienprogramm", sondern eine leistungsfähige Ausbildungsförderung für alle. In ihrem 2009 verabschiedeten wissenschaftspolitischen Programm "Wissenschaft demokratisieren, Hochschulen öffnen, Qualität von Forschung und Lehre entwickeln, Arbeits- und Studienbedingungen verbessern" fordert die Bildungsgewerkschaft GEW die Weiterentwicklung des BAföG zu einem elternunabhängigen Studienhonorar. Die GEW fordert konkret, den Darlehensanteil im BAföG zu Gunsten eines nicht rückzahlungspflichtigen Zuschusses zurückzuführen, damit junge Menschen vom "Studentenberg" aus nicht auch noch mit einem "Schuldenberg" ins Berufsleben starten müssen. Im Gegenzug sollten die ausbildungsbezogenen Leistungen des Familienlastenausgleichs (Kindergeld, Steuerfreibeträge", von denen heute vor allem die besser verdienenden Eltern der Studierenden profitieren, in die Ausbildungsförderung integriert und direkt allen Studierenden ausgezahlt werden.

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